Hampi liegt im südindischen Bundesstaat Karnataka und gilt als Boulder-Mekka in der Kletterszene. Zurecht! Denn wenn ich abends zum Aussichtspunkt hinaufklettere, erstrecken sich die Felsen, auch Boulder genannt, bis zum Horizont. Die untergehende Sonne taucht die Landschaft in ein goldenes Licht. Am Rande der Felsformationen liegen, in Terrassen angeordnet, sattgrüne Reisfelder, die Palmen schaukeln sachte im Wind und die Libellen schwirren in der Luft. Vom anderen Ufer des Flusses schallt die Musik des Tempels herüber.
Jeden Abend erklimmen Touristen und Einheimische die Höhen, verteilen sich auf den Sunsetfelsen und bestaunen das Farbenspektakel. Und was darf in Indien hierfür nicht fehlen? Genau, ein süßer Chai! Ohne Chai kein Indien, kein Indien ohne Chai. Das wissen Hampis Chai-Jungen ganz genau. Jeden Abend stehen sie mit ihren Thermoskannen und Pappbechern bewaffnet am Weg zum Sunsetpoint, auf chaidurstige Touristen wartend.
Ich bin auch bewaffnet, jedoch mit meiner Yogamatte. Als ich den schmalen Pfad Richtung Felsen einschlage, erspähen mich die Jungs und rennen freudestrahlend auf mich zu. Die Thermoskannen lassen sie am Wegrand stehen. Folgende Konversation führe ich, seit meiner Ankunft, jeden Tag:
„Hey hey, want some chai?“
„No thanks.“
„Where are you from?“
„What do you think where I’m from?“
„Israel?“
„No.“
„America or England?“
„No.“
„Swiss?“
„Almost, you’re very close. I speak the same language.“
Die Jungs diskutieren, überlegen. Bis einer stolz ruft „Germany!“
„Right.“
Alle lachen und freuen sich, während wir den Weg gemeinsam hinunter spazieren.
„What‘s your name?“
„Mia. And your names?“
Trotz hoher Konzentration und einem starken Willen mir die Namen diesmal endlich zu merken, vergesse ich ihre sofort wieder. Es sind jeden Tag einfach zu viele Namen und Begegnungen.
„want some chai now?“ „No thanks.“
Das wäre mein siebter Chai an diesem Tag, darum lehne ich ab.
„Maybe later?“
„Yes maybe.“
„Pinky promise?“
Der kleine Finger wird mir erwartungsvoll hingestreckt. Große warme, dunkelbraune Augen, umrahmt von dichten Wimpern blicken zu mir auf. Ich möchte wirklich keinen Chai, doch wer kann bei so viel kindlichem und doch berechnendem Charme widerstehen? Außerdem bin ich viel zu früh für den Sonnenuntergang. Warum nicht ein wenig Zeit mit ihnen verbringen und einen süßen Chai trinken.
„Ok, pinky promise.“ Ich hake meinen Finger in einen der anderen. Und ehe ich mich versehe, haken sich drei weitere ein. Dann rennen die Jungs so schnell sie können zu ihren Thermoskannen und pumpen das süße Glück in die Pappbecher, springen auf und laufen zu mir zurück. Ich nehme den ersten Chai, der mir in die Hand gedrückt wird. Die anderen versuchen mir ihren zu geben. Ein Tee reicht mir. Weitere drei sind mir dann doch zu viel. Ein von Freude strahlendes Gesicht und drei enttäuschte umgeben mich nun. Dem Gewinner gebe ich die verlangten 30 Rupien.
Wir setzen uns zusammen auf die Steine. Einer nimmt meine Kamera und läuft herum, schießt Fotos. Zeit für einen kleinen Schnack mit den Chai-Jungen.
„How many chai do you sell each day?“, frage ich.
„10 chai each can. One chai many people drink, it’s a very good chai, you know?!“
„Are you making the chai yourself?“
„No, my mama makes the chai, on Sundays my sister.“
„You don’t go to school?“
„Yes sure we go! We like school, after we come here to sell the chai.“
„So how much money do you make? 10 chai each can, so 300 Rupie?“
„Yes but sometimes more. If you are Israeli we charge 50 Rupees each chai.“
Wir plaudern noch lange und die Jungs schreiben und malen in mein Notizbuch. Besonders fasziniert sind sie von meinem dreifarbigen Kugelschreiber.
Vielleicht war dieser Chai einer meiner besten bisher. Ein Chai, der mir dabei half, ihre Namen zu erinnern.
Racju, Raktschi, Arun und Maju – die Chai-Jungen Hampis.
Want some chai now?
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